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Das Prinzip Hoffnung

Plan, Do, Check, Act ist der wohl bekannteste Zyklus, nach dem Change-Management-Prozesse ablaufen. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass es auch anders geht: ohne Plan und in Echtzeit.


Unternehmen erleben seit einem Jahr einen zum Teil tiefgreifenden Kulturwandel, das Meiste davon spielte sich im Wohnzimmer der Mitarbeiter ab. Widerstände, die bisher klassische Change-Prozesse häufig begleiten, hatten kaum die Chance aufzukeimen. Ob der Prozess erfolgreich war, werden wir wohl erst in einigen Jahren beurteilen können. Was wir jetzt schon wissen, ist, dass sich die meisten Menschen aktuell nichts dringender wünschen als eine positive Zukunftsorientierung. Das ist auch gut so, denn diese Hoffnung hält die Menschen aktiv, handlungsfähig und ist überlebenswichtig in jeder Krise. Hoffnung zu vermitteln, zu fördern und zu stärken ist jetzt die vordringlichste Managementaufgabe.


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„Die Onlinezusammenarbeit war anfangs mit hoher Frustration verbunden, denn trotz des raschen Umstiegs auf Homeoffice waren die Abstimmungsprozesse aufwendig und vieles erschien unproduktiv. Operative Fragen standen im Mittelpunkt, den Betrieb aufrechterhalten. Jetzt, ein Jahr später, erleben wir einen deutlichen Wandel in Richtung Aufarbeitung. Immer häufiger stellen sich Führungskräfte die Frage, was die Pandemie für das Arbeitsleben bedeutet und ob man auch positive Lehren aus diesem erzwungenen Change-Prozess ziehen kann“, fasst Mag. Dagmar Untermarzoner ihre Erfahrungen zusammen. Die Gesundheitspsychologin und Expertin für Change-Management coacht Führungskräfte und Unternehmen in der Umsetzung neuer flexibler Arbeitswelten. Was nach Ansicht von Untermarzoner durch den Rückzug aus den Büros deutlich fehlt, ist das Emotionsregulativ: Online jammert es sich scheinbar einfacher, und wenn einer anfängt, stimme viele bereitwillig ein.

Wie sich diese negative und zum Teil auch aggressive Grundstimmung auf das Arbeitsleben auswirkt, rückt zwangsläufig zunehmend in Fokus der Führungskräfte. Sie suchen nach Möglichkeiten, die vorhandenen Ressourcen zu stärken, gehen dabei aber nicht immer geschickt mit den anstehenden Sorgen und Ängsten der Mitarbeiter um: „Eine Studie der deutschen Krankenkassen zeigt, dass 66 % der Mitarbeiter Belastungen orten, weil Kunden sich nicht an Hygienemaßnahmen halten. Für die Führungskräfte ist das kein Thema“, bringt die Gesundheitspsychologin ein Beispiel. Andere Studien belegen, dass sich 85 % der Mitarbeiter wünschen, dass Unternehmen jetzt den Fokus auf Gesundheitsförderung legen und sich um das Wohlergehen der Belegschaft aktiv kümmern. Jedoch nur jede zweite Firma hat das Thema wirklich auf der Agenda. „Wir stecken in einer Pandemie und daher müssen Führungskräfte die Sorge der Mitarbeiter ernst nehmen, wenn sie konkrete Ängste vor Ansteckung artikulieren“, rät die Expertin. Viele Betriebe ziehen sich nach wie vor auf das gesetzliche Mindestmaß zurück – FFP2-Masken allein lösen das Problem aber nicht.


Mitarbeiter wollen gehört werden

Ein weiterer Punkt, den Untermarzoner in ihren Beratungen beobachtet, ist der Umstand, dass die Zugehörigkeit und das soziale Miteinander zu wenig berücksichtigt werden. „Führungskräfte ziehen sich auf eine formale Ebene zurück. Inhalt werden abgearbeitet, Persönliches spielt zunehmend weniger eine Rolle.“ Dabei dürfen aber nicht alle Unternehmen über einen Kamm geschert werden, denn ganz jungen Betrieben, Start-ups und jenen, deren Belegschaft überwiegend der Generation Z zuzurechnen sind, ist es deutlich leichter gefallen, den Switch in die Online-Welt zu schaffen und dabei dennoch die soziale Komponenten nicht aus den Augen zu lassen.

Auch wenn sich manchmal verständlicherweise eine gewisse Online-Müdigkeit einstellt, so sollten doch zumindest die Angebote für gemeinsame virtuelle „Kaffeerunden“ vorhanden sein. „Wir beobachten, dass sich Führungskräfte hier gerne zurückziehen und immer weniger ihre Führungsaufgabe wahrnehmen. Viele Betriebe haben im letzten Jahr zwar fleißig Meetings abgehalten, aber auf Einzelgespräche wurde verzichtet“, gibt Untermarzoner Einblick. Dieser Fokus auf die inhaltliche Arbeit ignoriert völlig die Bedürfnisse der Mitarbeiter, gehört und mit ihren persönlichen Anliegen wahrgenommen zu werden.

Eine besondere Routine entwickeln Chefs auch darin, trotz Homeoffice möglichst geschäftlich zu wirken. Der Blick in die eigenen vier Wände kann mit virtuellen Hintergründen ganz einfach verwehrt werden. Vor der Kamera ist Geschäft eben immer noch Geschäft. Der Ausschnitt am Bildschirm trägt zusätzlich dazu bei, dass Köpfe noch rascher „unfreundlich“ wirken als im direkten Umgang miteinander, weil die restliche Körpersprache fehlt. „Bei manchen Führungskräften habe ich das Gefühl, dass sie sich bewusst auf eine noch strengere formale Eben zurückziehen als bisher, wenn schon die Arbeitswelt ‚draußen‘ so ‚eigenartig‘ geworden ist, so soll doch intern alles normal bleiben“, vermutet die Expertin.


Der Artikel ist voller Länge in der aktuellen Ausgaben von SICHERE ARBEIT 2/21 nachzulesen. Dort finden Sie auch Tipps für eine positive Führungskultur in Pandemiezeiten: http://www.sicherearbeit.at/cms/X04/X04_0.a/1342648065660/home/das-prinzip-hoffnung


Fotocredit shutterstock/LoisGoBe


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